5. Juli 2003
 
 
Greta taut auf. Was auch immer man sich darunter vorstellen möchte, alles stimmt.
Das Einfachste zuerst: Alles was auftaut, hinterlässt kleine Pfützen.
Auch verliert sie mittlerweile sämtliche Scheu vor allem und jedem. „Nein“ ist zwar unangenehm laut, aber mehr auch nicht. Es erinnert mich an die Erziehung von Kindern. Wo man ganz am Anfang nur sagen musste: „Wehe“, wurde im Laufe der Zeit hinterfragt: „Wehe was?“ Und es ist eine große Überwindung, nach einem überhörten „Nein“, Konsequenzen zu bieten. Paddy hat damit keine Probleme. Sein Knurren wirkt nachhaltig – für die nächsten drei Minuten. Erwischt man das Gretchen bei einer Untat und ist konsequent, dann quietscht sie so heftig, dass man ängstlich um sich schaut und in den nächsten 30 Minuten den Besuch des Tierschutzvereins erwartet. Dabei weiß Madame sehr wohl den Unterschied zwischen berechtigtem Rüffel und unberechtigtem Unfall. Beim Unfall, einem kleinen Ausfallschritt, bei dem sie umgeworfen wird, weil man sonst mit der Nase den Boden küssen würde, schreit sie achtmal lauter als beim Rüffeln. So geschehen, als sie eine 8968-Figur um die Beine unsere Tochter lief. Wir waren drauf und dran, zum Telefonbuch zu greifen, um bei Tierarzt eine Notoperation anzumelden. Die Vorhänge der Nachbarschaft wackelten. Aber nichts war. Nach dieser theatralischen Einlage stand Gerta auf und ging ihrer Lieblingsaufgabe, Gras sammeln nach.

Ein weiterer Gedanke kam mir heute in den Kopf: Warum haben wir so lange nach einem geeigneten Namen für einen Bobtail aus dem G-Wurf gesucht. Greta ist der falsche Name, Gärtner hätte besser gepasst. Würde man sie lassen, wäre sie der geborene Gärtner. Sie würde hingebungsvoll alle welken Blätter vom Rasen sammeln, die zu üppig wachsenden Stauden um ein gerüttelt Maß kürzen und die Erde, sogar die der Zimmerpflanzen, locker und unkrautfrei halten. „Gently Gärtner! Du weißt, wie schwer und zeitintensiv Gartenarbeit ist. Danke, dass du uns entlastest.“

Auf den anderen Seite hat sie heute die Neigung zu einer anderen Berufssparte gezeigt. Beim Frühstück stellte ich noch fest, dass sie gewisse Ähnlichkeit mit den Comicfiguren der Panzerknacker hat. Ich kam mir aber sehr schlecht vor, sie auf eine Ebene mit Gesetzesbrechern zu bringen.

Geld stinkt nicht. Was ich davon allen kaufen könnte. 
Ein paar neue Knabberpflanzen, oder ein neues Schaf mit Ohren.
 Wenn du nichts verrätst,
bekommst du was ab.
Das geht euch gar nichts an, was wir erzählen. 
Kurz danach kam sie aus einer Ecke hervor, hatte Beute im Mund und legte sie vor sich. Oh, dachte ich, ein Zettel vom Abreißblock hat dran glauben müssen. Beim näheren Hinsehen handelte es sich um einen braunen Zettel mit der Aufschrift 50 €. Als ich diesen in Sicherheit bringen wollte, verschwand Panzerknacker Greta. Irgendwie guckte aber aus ihrer Schnauze ein ganz kleines grünes Dreieck heraus, es war kaum zu sehen, so klein war es.
Ich habe Madame schnell erwischt und habe ihr den leicht gelochten Zettel mit der Aufschrift 20 € aus dem Rachen geholt. Wir werden in Zukunft das Geld für geplante Ausgaben nicht mehr im Abreißblock deponieren. Auf der anderen Seite, wenn sie nun schon mal dieses Talent gezeigt hat, könnte man es ja eigentlich ausbauen. Aber ich weiß nicht, so ein kleiner Hund und schon kriminell?
Das beste ist, sie würde ihrer genetisch angelegten Beschäftigung, dem Schafe hüten nachgehen. Aber ob das so sinnvoll ist? Das erste Schaf hat sie schon am ersten Abend mit einem Prankenschlag entohrt. Das zweite Schaf, das unbestritten ihr Lieblingsspielzeug ist, wäre, wenn es lebendig wäre, schon 14 mal gestorben, so wie sie darauf herumbeißt.
 Zum Trost bekommt das blöde Schaf mein ganzes Spielzeug.
Wie komme ich da blos wieder dran? 
 
Komm Alter, hilf mir! Zusammen schaffen wir das. Wir sind doch nicht aus Pappe.   
 Das weiche Schaf steht kurz
vor der Errettung.
 Gleich ist es geschafft.
 Jetzt nur noch der Würgedackel...
Rück die Ente raus. Sonst fehlt dir auch das zweite Ohr.
Na siehste, es geht doch.
Wozu braucht ein "Van Gogh Schaf" so viel schönes Spielzeug. Kauf dir lieber ein Hörgerät oder Sekundenkleber.
Ich möchte mich also noch nicht endgültig entscheiden, welcher Tätigkeit Greta am sinnvollsten nachgeht.
Und nun zu den nächtlichen Erscheinungen unseres Junghundes. Wir waren abends immer ein wenig verwundert, dass Greta mal jaulend mal knurrend vor der Balkontür oder der Terrassentür stand. Stand sie dort jaulend, wurde ihr geöffnet, mag ja sein, sie will im Kühlen liegen. Aber erst das Knurren brachte uns auf die Idee: Madame sieht allabendlich, wenn es draußen dunkel wird, dort vor der Tür einen ebenso kleinen Artgenossen. Optische Täuschungen begreifen wir Menschen auch erst viel später. Ein Spiegelbild riecht zwar nicht, aber mit neun Wochen weiß man das halt noch nicht. So wird sie Abend für Abend sehnsüchtig zur Balkontür schauen, bis sie vielleicht mal merkt, dass der kleine Spielgefährte da draußen gar nicht nach Hund riecht und sie selber ist.